Gustav Mahler

Der fremde Vertraute

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Bibliographische Informationen
ISBN/EAN: 9783552052734
Sprache: Deutsch
Seiten: 990 S.
Format (H/B/T): 5.5 x 22.8 x 15.3 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Gustav Mahler war der erste wirklich internationale Dirigent, der in Europa und in den USA Triumphe feierte. Mit seiner Musik haben sich schon viele Autoren beschäftigt, seine facettenreiche Person dagegen rückt Jens Malte Fischers ausführliche Biographie zum ersten Mal in den Vordergrund. Wir lernen einen gebildeten, außerordentlich ehrgeizigen Künstler kennen: leicht verletzbar, aber oft verletzend, auch gegenüber Menschen, die ihm so nahe standen wie seine Ehefrau Alma. Kenntnisreich und lebendig erzählt Jens Malte Fischer dieses dramatische Leben, in dem sich eine ganze Epoche spiegelt.

Autorenportrait

Jens Malte Fischer, 1943 geboren, studierte Germanistik, Musikwissenschaft und Geschichte und war Professor für Theaterwissenschaft an der Universität München. Bei Zsolnay sind erschienen:  Jahrhundertdämmerung. Ansichten eines anderen Fin de siècle (2000); Gustav Mahler. Der fremde Vertraute (2003); Vom Wunderwerk der Oper (2007) und Richard Wagner und seine Wirkung (2013). 2020 erschien die Biografie Karl Kraus. Der Widersprecher, für den er mit dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet wurde. 

Leseprobe

Wann Alma aus Tobelbad nach Toblach kam, ist nicht genau festzustellen, es muß um den 15. Juli gewesen sein. Nochmals hatte sie Zeit gehabt, den rauschhaften Zustand zu genießen, den ihre Liebe zu Gropius ihr gewährt hatte. Der war in Tobelbad geblieben, Kuren auch für Siebenundzwanzigjährige dauerten damals erstaunlich lang. Die Katastrophe beschwor jener sagenumwobene leidenschaftliche Brief von Gropius an Alma herauf, den dieser adressiert hatte 'Herrn Director Mahler' oder 'Herrn Gustav Mahler', und der am 29. Juli eintraf. Bis heute wird diskutiert und gerätselt, ob 'der Jüngling im Fieberwahn gehandelt hatte', wie Alma sich preziös-distanziert ausdrückt, oder ob die Adressierung volle Absicht war. Gropius-Biograph Isaacs gibt wiederum einen wichtigen Hinweis, wenn er darauf aufmerksam macht, daß Gropius mehrfach in seinem Leben nicht nur eben mit verheirateten oder gebundenen Frauen anbandelte, sondern auch immer wieder den Drang verspürte, mit den entsprechenden Männern Kontakt aufzunehmen. Alma und Gropius hatten verabredet, daß er seine Briefe postlagernd nach Toblach schicken sollte unter der nicht übertrieben verschlüsselten Chiffre A.M.40. Gropius hat gegenüber dem Mahler-Biographen Henry-Louis de La Grange noch als alter Mann darauf beharrt, daß es ein Versehen gewesen sei. Eines bleibt merkwürdig an der ganzen fatalen Angelegenheit: Da Mahler, wenn der Briefträger kam, meist nicht im Haus war, pflegte Alma die Briefe an ihn auf das Klavier im Trenker-Hof zu legen, damit er bei seiner Rückkehr sofort die Post vor Augen hatte. Deshalb beschreibt sie auch, wie er nach dem Öffnen des Briefes am Klavier gesessen sei und mit erstickter Stimme 'Was ist das?' gestammelt habe. Die Frage ist: Alma muß die Handschrift von Gropius natürlich erkannt haben, denn nach 14 Tagen Trennung war dies kaum der erste Brief, den dieser schrieb. Zumindest konnte ihr der Poststempel Tobelbad sagen, von wem der Brief war. Sie mußte Übles wittern, wenn der junge Liebhaber an den ahnungslosen Ehemann einen Brief adressierte. Zumindest das Öffnen des Briefes wäre erwartbar gewesen, und dann hätte sie ihn einfach verschwinden lassen können. Daß der Brief nicht etwa ein Bekennerbrief an Mahler war, geht aus der Reaktion Almas an Gropius hervor, es geht daraus aber auch hervor, daß Mahler den Brief in seiner ganzen Länge und Tragweite nicht gelesen hat. Der Brief enthielt offensichtlich deutliche Verweise auf die gemeinsamen erotischen Erlebnisse. Nachdem sie zwei weitere postlagernde Briefe abgeholt hatte, schrieb sie am 31. Juli an Gropius: 'Ich habe mir gestern wieder 2 Briefe von Dir geholt. A.M.40. a?" alles in Ordnung a?" nur verstehe ich den vorgestrigen Abend immer weniger. a?" Das Einzige a?" was mich glauben lassen könnte, daß Du die Adresse mit Absicht an Herrn G. Mahler geschrieben hast, ist der Passus in Deinem heutigen Brief: a?" Sonst aber müßte ich an Sinnesverwirrung denken u. ich tu es lieber .... a?" Da es quasi durch Zufall herausgekommen ist u. nicht durch ein offenes Geständnis von meiner Seite a?" hat er jedes Vertrauen, jeden Glauben an mich verloren! Bedenke a?" der Brief, in dem Du offen von allen Geheimnissen unsrer Liebesnächte schreibst a?" war an: Herrn Gustav Mahler a?" Toblach a?" Tirol addressiert. Wolltest Du das wirklich? Und er hätte es fast gelesen. Mit fieberhafter Sehnsucht erwarte ich Deinen Brief, worin Du mich aufklären mußt. Ich hoffe darauf, daß Du irgendetwas zu Deiner u. meiner Rettung sagen kannst.' Die Katastrophe war da. Mahler hatte offensichtlich nicht den ganzen Brief gelesen, das sagt Alma ganz deutlich, bis zu den expliziten Anspielungen auf die sexuellen Genüsse war er nicht gekommen a?" wir wollen uns vorstellen, daß entweder Alma ihm den Brief aus den Händen riß, oder er nicht mehr weiterlesen wollte. Wahrscheinlich wird ihm der vorstellbare Beginn des (nicht e ...